Stavo, 22.05.2014: Jens Kühle-Kulturzelt

Meine Damen und Herren,

bevor der ein oder andere von Ihnen sich aufgefordert fühlt, uns, dem BWB zu unterstellen, wir würden ehrenamtliches Engagement nicht honorieren, möchte ich im Namen meiner Fraktion folgendes klarstellen: das BWB respektiert, achtet und unterstützt das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder des Kulturzeltvereins. Wir sind uns bewusst, dass die Außenwirkung des Kulturzelts über die Grenzen von Wolfhagen hinaus geht und sind bereit, einer finanziellen Absicherung der künftigen Kulturzeltveranstaltungen durch die Stadt Wolfhagen zuzustimmen.

Aber, was Sie, Herr Bürgermeister, hier vor haben ist nichts anderes als ein –formal wahrscheinlich nicht zu beanstandender- Versuch, die parlamentarischen Kontrollmechanismen zum finanziellen Vorteil einzelner, verbunden mit finanziellen Risiken für die Stadt und damit für die Wolfhager Bevölkerung auszuhebeln. Wir gehen davon aus, dass Sie, Herr Bürgermeister mit der Einberufung des interfraktionellen Gesprächs vor 2 Tagen den Anschein erwecken wollten, die parlamentarischen Gremien frühzeitig informiert zu haben. Wir gehen auch davon aus, dass Sie sich einmal wieder vor den Karren haben spannen lassen, von den großen Fraktionen, von Herrn Frey selber oder von wem auch immer: Sie tragen die Hauptverantwortung für diesen Skandal, eben weil Sie einmal mehr demokratische Gepflogenheiten missachten. Warum Sie das tun, ist uns schleierhaft, da können wir nur spekulieren.

Bitte nennen Sie uns  nur einen sachlichen Grund, Herr Bürgermeister, warum wir hier und heute auf Grundlage einer Tischvorlage über 200.000 Euro entscheiden sollen. Uns liegt keine Information darüber vor, dass der Magistrat darüber entschieden hätte, vom Haupt- und Finanzausschuss will ich gar nicht reden. Bitte erklären Sie uns und der Öffentlichkeit, warum Sie im Magistrat über Zuschüsse zu Veranstaltungen in Höhe von 2.000 einen Beschluss herbeiführen, aber wenn es um das Hundertfache, nämlich um 200.000 Euro geht, den Magistrat und den zuständigen Haupt-und Finanzausschuss umgehen. Bitte sagen Sie uns, ob und wie der Magistrat über diesen Antrag abgestimmt hat und auf welcher Grundlage der Beschluss gefasst wurde. Und schließlich: Bitte sagen sie uns, wie wir alle dem Feuerwehrmann in Istha, dem Waldbühnenmitglied in Niederelsungen oder dem Schützenbruder in Viesebeck klar machen sollen, dass sein ehrenamtliches Engagement im Gegensatz zu dem von Herrn Frey nicht entlohnt wird.

Ich richte mich jetzt an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Stadtverordnetenversammlung: Die Steuerzahler, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wolfhagen haben uns alle gewählt, damit wir deren Interessen hier vertreten. Aber mehr noch: Wir wurden auch gewählt, um zu kontrollieren, ob die Verwaltung, der Bürgermeister, der Magistrat, denen die Bürger ihr Geld anvertrauen,  dieses auch sinnvoll zum Wohle aller anlegen bzw. ausgeben. Ich gehe davon aus, wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen eine hohe 5 oder 6 stellige Summe für sich privat ausgeben oder investieren wollen, sehr sorgfältig nach Chancen und Risiken abwägen. Grundlage ihrer Entscheidung wird dann wohl z. B. ein Finanzierungsplan von Banken beim Erwerb eines Eigenheims, der Verkaufsprospekt einer Anleihe oder ähnliches sein. Auf welcher Grundlage entscheiden wir heute? Gibt es einen konkreten Geschäftsplan, auf neudeutsch einen business case, auf dessen Zahlengerüst wir entscheiden können? Nein! Liegen uns nach dem Kulturzelt-Desaster vom vergangenen Jahr schon Erfahrungswerte bzgl. einer neuen Strategie vor? Nein, wie auch, die Saison hat ja noch nicht einmal begonnen. Liegt uns ein Konzept für 2015 vor? Nein! Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass Sie alle verantwortungsbewusst mit Ihrem eigenen Geld umgehen. Hier und heute entscheiden wir aber darüber, wie wir mit dem uns anvertrauten Geld der Bürger unserer Stadt umgehen. Unsere Meinung ist, dass wir noch sorgsamer mit dem uns anvertrauten Geld umgehen sollen, als mit unserem eigenen. Ich rufe noch einmal in Erinnerung: Es geht hier um 200.000 Euro, nicht um 2.000. Meine Damen und Herren, wenn Sie den Auftrag, den Ihnen Ihre Wähler gegeben haben, ernst nehmen, können Sie nicht ruhigen Gewissens diesem Antrag zustimmen, weil Ihnen die Grundlage für eine solche Entscheidung fehlt.  Privat entscheiden Sie doch auch nicht im Handumdrehen über eine Investition in einer solchen Höhe. Tun Sie es dennoch, handeln Sie fahrlässig. Privat ist das Ihr Ding, hier und heute ist es das Geld aller Wolfhager Bürger.

Warum nehmen wir uns nicht also etwas Zeit, geben Herrn Frey und den engagierten Ehrenamtlichen des Kulturzeltvereins die Gelegenheit, ein Konzept mit Hand und Fuß und vor allem mit Chancen und Risiken zu erarbeiten, worüber der Magistrat, der Haupt-und Finanzausschuss beraten und beschließen kann. Es besteht kein Grund zur Eile. Im Gegenteil, wenn wir sachlich und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit über einen eventuellen Zuschuss oder was auch immer beraten, muss sich niemand, der Bürgermeister nicht, der Magistrat nicht und letztlich auch wir Stadtverordneten nicht, dem Vorwurf aussetzen, leichtfertig über eine sechsstellige Summe entschieden  bzw. uns die Pistole auf die Brust gesetzt gelassen zu haben.

Das BWB beantragt deshalb, die Beratung über diesen TOP auszusetzen und nach Vorlage eines Konzepts mit einer detaillierten Kosten- und Ertragsrechnung durch den Kulturzeltverein im Haupt-und Finanzausschuss und in der Stadtverordnetenversammlung erneut zu beraten.