Stavo am 18.06.2015: Jens Kühle

Kommentar zum 1. Quartal des Haushaltes von Jens Kühle bei der Stadtverordnetenversammlung am 18.06.2015

Der 1. Bericht über den Stand der Mittelbewirtschaftung im Haushaltsjahr 2015 hat doch einige, zum Teil geschickt verdeckte oder versteckte Überraschungen zu Tage gebracht!

Die Überraschungen waren dann  auch für die BWB-Fraktion, die seit Jahren darauf hinweist, dass die Stadt sich schön rechnet dann doch so groß, dass sie hier und heute thematisiert werden sollten. Wir sind ja mittlerweile einiges gewöhnt und wir haben damit gerechnet, dass die Seifenblase irgendwann einmal platzen wird. Dass es dann aber so schnell und so dicke kommt, hat selbst uns umgehauen. Denn das, was im Quartalsbericht wenn man dann die Verstecke aufgespürt hat,  zutage kommt,  ist erschreckend.

Im Einzelnen: Gleich auf der ersten Seite wird uns offenbart, dass Herr Schaake nach einem schlecht gelaufenen 1. Quartal 2015 das geplante Jahresergebnis abschenken will. Über diese bodenlose Frechheit uns – und damit allen Wolfhager Bürgern gegenüber – haben wir uns heute bereits ausgetauscht.

Den auch hier und heute schon geschilderten Liquiditätsengpass der Stadt in Höhe von EUR 4 Millionen finden wir auch auf Seite 1 verbunden mit dem Hinweis, dass es zukünftig eine intensivierte Liquiditätsplanung geben soll. Wir sind gespannt und fragen uns, ob und wie die Stadt denn bisher die Liquidität geplant hat.

Etwas weiter im Text lässt sich der Bürgermeister dann noch einmal dafür feiern, dass das Jahr 2014 mit einem um 622 T€ besseren Ergebnis als geplant abschließt. Und nun kommt ein Novum:  Denn wenig später ist zu lesen, dass das Jahr 2014 mit einem deutlich negativem Ergebnis hätte abgeschlossen werden müssen, wenn u.a. die Auflösung von Rückstellungen, die, wie wir alle wissen, nicht zahlungswirksam sind, also kein Geld in die Kasse bringen,  nicht vorgenommen worden wäre.

Respekt!

Offensichtlich haben Sie unsere Kritik an der Schönrechnerei endlich mal ernst genommen, denn diesen Effekt schreiben wir Ihnen jedes Jahr bei den Haushaltsberatungen ins Stammbuch. Ich zitiere aus unserer Haushaltsrede vom Januar 2015:

„Maßgeblichen Einfluss auf die Summe der Erträge haben aber die Auflösungen von Rückstellungen sowie die Erträge aus der Auflösung von Sonderposten, die aber leider kein Geld in die Kasse spülen. Anders ausgedrückt: Ohne diese Erträge aus nicht operativer Tätigkeit wäre des Haushalt tiefrot.“

Anders ausgedrückt heißt das:

Die Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen sind schön für die GuV – uninteressant für die Stadtkasse, weil nicht zahlungswirksam.

Wenn dann, und jetzt bin ich wieder bei Ihrem Rückblick auf 2014 neben den nicht zahlungswirksamen Erträgen wie eben beschrieben, die zahlungswirksamen Erträge (z. B. die öffentlich-rechtlichen und privaten Leistungsentgelte) viel geringer als geplant ausfallen und die Versorgungsaufwendungen und um schlanke 370T€ höher als geplant ausfallen (warum ist das so, wie wurden die denn geplant?) haben Sie die ersten Ursachen für Ihr Liquiditätsproblem, Herr Bürgermeister!

Es geht aber noch weiter und kommt auch noch viel dicker:  Plötzlich und unerwartet sind auch die Gewerbesteuereinnahmen um 865 T€ niedriger ausgefallen als geplant. In Summe liegt damit das  Gewerbesteueraufkommen 2014 damit um 400.000 € niedriger als 2013.

Da fallen mir spontan einige Fragen ein:

Haben Sie von den eben genannten Effekten, Herr Bürgermeister, im November 2014, zu Beginn der Haushaltsberatungen wirklich nicht nichts gewusst? Und im Januar 2015 zum Ende der Haushaltsberatungen auch noch nicht? Wollen Sie uns das wirklich weiß machen, wie in der HNA zu lesen war?

Stellen Sie sich selbst wirklich dieses Armutszeugnis aus, dass Sie erst im Mai, als der Bericht aufgestellt wurde, gewusst haben wollen, dass zum 31.12.2014, 4 Monate vorher, 2 Millionen Euro Cash weniger als geplant in der Kasse bzw. auf dem Konto waren? Ich rede von Cash, nicht von irgendwelchen Buchgewinnen. Ein Blick auf die Kontoauszüge hätte geholfen…

Oder haben Sie uns das 2-Millionenloch aus 2014  bewusst verschwiegen? Ich weiß gar nicht, was  ich besser finden soll. Wir können uns jetzt nämlich entscheiden, was besser ist:

Variante 1: Man hat uns etwas sehr wichtiges – nämlich 2 Mio. Euro Liquiditätsverlust bewusst verschwiegen und anschließend über die Presse angelogen.

Variante 2: Inkompetenz

Ich kenne Sie nun schon ein paar Jahre, Herr Schaake, deshalb glaube ich, dass Sie uns nicht bewusst angelogen haben. Das macht es aber nicht besser, weil dann Variante 2 zutrifft.

Was noch viel schlimmer wiegt, ist die Tatsache, dass der Minderertrag bei der Gewerbesteuer nicht durch einen Einzelfall in großer Höhe verursacht worden sein soll, sondern wie auf Seite 5 beschrieben und vom Bürgermeister in der HAFIA-Sitzung bestätigt, auf viele kleine Betriebe zurück zu führen ist, die deutlich weniger Gewerbesteuer bezahlt haben als angenommen.

Ergo: Wir haben  ein strukturelles Problem in Wolfhagen! Da bin ich ganz bei Herrn Flörke, der diesen Schluss in der letzten HAFIA-Sitzung vollkommen zu Recht gezogen hat. In ganz Deutschland sprudeln die Steuereinnahmen – in Wolfhagen nicht. Warum nicht? Für uns nicht ganz überraschend, denn dieses strukturelle Wolfhager Problem haben wir oft beschrieben:

  • Leere Innenstadt
  • Leerstehende Geschäfte
  • Leerstehende Gewerbegebiete.

Wir haben immer wieder auf diese Missstände hingewiesen mit der Konsequenz, dass wir als Nestbeschmutzer dargestellt wurden, nur weil wir die besorgniserregende Situation beschrieben haben. Mehr noch, wir haben Ihnen mehrmals angeboten, bei einem von Ihnen einzuberufenden Runden Tisch zur Belebung der Innenstadt mitzuwirken. Eine Einladung dazu steht noch aus. Ich wiederhole noch einmal unsere Bereitschaft, Herr Bürgermeister. Ein letztes Mal…

Mit Windrädern im Wald füllen sie vielleicht die Geldbeutel von Investoren, Ihre Investitionen in Kulturhalle, Kulturladen und in ein Kultursoziales Zentrum machen vielleicht Herrn Frey glücklich, die Innenstadt füllen Sie damit nicht. Durch Ausweisung von immer neuen Gewerbeflächen lösen Sie vielleicht ein Problem des jeweiligen Verkäufers wie zuletzt dem Bund durch Ihr Gewerbegebiet Pommernanlage. Unter dem Strich steigen die Schulden. Diese Argumente sollten Ihnen allen bekannt vorkommen, denn darauf haben wir immer wieder hingewiesen.

Soviel zum Ergebnishaushalt 2014. Unter dem Strich bleiben ein durch nicht zahlungswirksame Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen geschöntes Ergebnis und der Beginn eines strukturellen Ertragsproblems, dessen Ursachen in einem Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen liegen und daraus folgend ein Liquiditätsverlust von 2 Mio. €.

Wer nun glaubt, es kann nicht mehr schlimmer kommen, irrt gewaltig, denn das  strukturelle Problem Gewerbesteuereinnahmen  setzt sich leider in 2015 mehr als dramatisch fort. Dramatisch ist untertrieben. Denn, wie vorhin schon angesprochen – und ein Blick auf die Anlage 5 zeigt das sehr deutlich – sinken die Steuereinnahmen der Stadt im ersten Quartal um 65(!)% auf eine gute Million € gegenüber knapp 3 Millionen € in den Vorjahren. Siehe Anlage 5 des Quartalsberichts: Q1 2013: 3 Millionen €, Q1 2014: 3 Millionen €, Q1 2015: 1 Millionen €. Noch einmal zum Mitschreiben für alle: Im Vergleich zu den Vorjahren erwirtschaftet die Stadt nicht 5, nicht zehn oder 20 Prozent weniger Steuereinnahmen, was schon dramatisch genug wäre. Nein, die Steuereinnahmen brechen um fast 2/3, um 65 % ein. Meine Damen und Herren, das ist ein Erdrutsch!!! 2 Millionen Euro weniger Ertrag! 2 Millionen Euro weniger Cash. Desaströs!

Das Furchtbare daran ist, dass dieser Minderertrag nicht nur das Quartalsergebnis belastet, dass mit – 1,8 Millionen Euro beziffert wird, nein, Steuereinnahmen sind zahlungswirksam, das heißt, das Geld fehlt auch in der Kasse. Also Liquiditätsverlust.

1,8 Millionen € Verlust in einem Quartal!

Und wie wird das im Quartalsbericht vom Bürgermeister kommentiert? So:

„Bei den ordentlichen Erträgen wird ein geringer Rückgang erwartet.“

Ein geringer Rückgang?! Uns fehlen 2 Millionen € Steuern nach nur 90 Tagen und Herr Schaake lässt sich zwar ausführlich über die sinkende Konzessionsabgabe der Stadtwerke in Höhe von 50.000 € aus, aber kein Wort der Erläuterung zu dem Einbruch. Auch nicht auf meine Rückfrage im HAFIA. Holen wir die 2 Millionen € in den 3 Restquartalen auf? Wenn ja, wie? Kein Wort dazu. Prinzip Hoffnung?

Ein Quartalsverlust in Höhe von fast 2 Millionen € wird nicht erläutert. Unglaublich. Meine Damen und Herren Stadtverordneten, Sie haben den Bericht doch auch gelesen. Beunruhigt Sie diese Situation nicht?

Herr Bürgermeister, knapp 900 T€ weniger Steuereinnahmen in 2014, knapp 2 Mio. € weniger Steuereinnahmen in nur einem Quartal 2015 – zusammen fast 3 Mio. € – und kein Wort von Ihnen dazu, warum und wie und wann das kompensiert werden soll! Schämen Sie sich eigentlich nicht dafür, dass Sie diese Mindereinnahmen nicht erläutert haben? Warum muss sich der Leser des Quartalsberichts bis zu den Anlagen durchwühlen, um festzustellen, dass es die Steuereinnahmen sind, die den „leichten Rückgang bei den ordentlichen Erträgen“ verursachen. Oder, daran mag ich gar nicht denken, haben Sie den Kämmerer gar nicht nach den Abweichungen gefragt, als Ihnen der Bericht vorgelegt wurde?

Nennen  Sie uns bitte den  Grund für Ihre Annahme, dass wir am Ende des Jahres trotz des Einbruchs im 1. Quartal noch knapp 13 Millionen Euro Steuereinnahmen haben werden.

Welche Anzeichen haben Sie dafür, dass die 2 Millionen Minus im Jahresverlauf aufgeholt werden? Wann passiert das? In Q2, Q3 oder Q4? Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, ich glaube nicht daran, dass wir diesen Verlust aufholen werden. Ich befürchte das Schlimmste – und glauben Sie mir, ich hoffe, dass ich Unrecht habe. Denn wenn sich dieser Trend fortsetzt- nicht auszudenken- jeder hier kann rechnen 2 Millionen x 4 Quartale macht 8 Millionen Minus.

Nun zur Finanzrechnung und zur  Liquidität

Neben den eben ausführlich erläuterten ergebnis- und liquiditätswirksamen Mindereinnahmen bei den Steuern in Höhe von 2 Mio. € im ersten Quartal 2015 und 900.000 € in 2014 kommen neben einigen kleineren Beträgen auch noch 800.000 € Personalaufwendungen, die fälschlicherweise als nicht zahlungswirksam gebucht wurden, wie im Quartalsbericht geschrieben steht. Wie geht denn bitteschön so etwas?

Ich wiederhole meine Frage, die ich schon im HAFIA gestellt habe:

Um welche nicht zahlungswirksamen Aufwendungen handelt es sich denn, die plötzlich zahlungswirksam geworden sind? Das waren meine Fragen in der letzten HAFIA-Sitzung, auf die ich keine Antworten bekommen habe. Bekommen wir sie heute? Wer ist für diesen Planungsfehler verantwortlich und was hat dieser Planungsfehler für Konsequenzen?

Meine Damen und Herren, als wäre die Situation an sich – 4 Millionen € Liquiditätsverschlechterung, 2 Mio. € negatives Ergebnis in Q1 – nicht schon schlimm genug, tut die Verwaltung nun auch so, als wäre alles in Ordnung!

In der letzten HAFIA-Sitzung hatte ich nach vorheriger Durchsicht des Quartalsberichtes die Erwartungshaltung, dass der Bürgermeister diesem Gremium detailliert darlegt, wie es so kommen konnte und was man tut, um das Schlimmste abzuwenden. Nichts dergleichen geschah.

Erst auf meine Nachfragen zu den Ursachen des Desasters sagte uns der Bürgermeister in gefühlten 3 Minuten, dass nur die fehlenden Gewerbesteuereinnahmen Schuld seien und dafür könne man ja nichts. Natürlich, die böse Konjunktur ist schuld. Die Konjunktur, die in ganz Deutschland brummt, nur bei uns nicht. Und, ganz nebenbei  erwähnte der Bürgermeister, dass es jetzt eine Haushaltssperre gäbe. Aha. Eine Haushaltssperre. Die Haushaltssperre ist bekanntlich das Mittel, das man anwendet, wenn gar nichts mehr geht. Aber:  alles halb so schlimm! Hat irgendjemand in dem Ihnen vorliegenden Quartalsbericht etwas über eine Haushaltssperre gelesen? Ich nicht. Finden Sie das seriös vom Bürgermeister, uns diese Maßnahme zu verschweigen, Herr Weiershäuser? Ich nicht.

Meine Damen und Herren, in der letzten HAFIA- Sitzung berichteten zwei Mitarbeiter der Verwaltung gefühlte 20 Minuten intensiv und detailliert über die Bemühungen der Stadt Wolfhagen, dem Bienensterben entgegenzuwirken. Eine ausführliche Diskussion in geschätzten noch einmal 20 Minuten schloss sich an. Es ging ja schließlich auch um einen Zuschuss in Höhe von 2.500 Euro.

Warum erwähne ich das? Nicht weil mir die Bienen nicht am Herzen liegen würden, nein. Ich finde das deshalb erwähnenswert, weil der Bürgermeister 2 Mitarbeiter in die HAFIA-Sitzung schickt, die übrigens top vorbereitet waren, um über Maßnahmen zur Bekämpfung des Bienensterbens zu berichten, der Bürgermeister es aber nicht für nötig betrachtet, von sich aus über ein Haushaltsloch in Höhe von 2 Millionen Euro im ersten Quartal 2015 und von einer Liquiditätsverschlechterung von 4 Millionen Euro zu berichten, ganz zu schweigen davon wie es dazu kommen konnte und was man dagegen zu tun gedenkt. Das ist nicht nur unseriös uns Parlamentariern gegenüber, das ist ein Skandal, meine Damen und Herren. Herr Bürgermeister, wenn Sie und Ihr Kämmerer nur halb so gut vorbereitet in die HAFIA-Sitzung gegangen wären wie Ihre Bienenexperten, hätten Sie wenigstens Verantwortungsgefühl und ein wenig Größe gezeigt. Stattdessen legen Sie uns einen verwirrenden Bericht vor, der ganz klar zeigt, dass versucht werden sollte, die bedrohliche Haushaltssituation zu verschleiern und haben dann noch nicht einmal den Anstand, uns Volksvertretern diesen Bericht zu erläutern. Schlimm.

Es ist nun an der Zeit nach vorn zu schauen. Dabei denke ich nicht nur an den nächsten Quartalsbericht, auf den ich übrigens sehr gespannt bin. Ich denke da auch an den nächsten Haushaltsplanentwurf. Wer legt uns denn den nächsten Entwurf vor? Darf derjenige, der offensichtlich nicht nur mit vollkommen falschen Planansätzen-ich erinnere dabei an den Einbruch der Steuereinnahmen in Höhe von 2 Millionen Euro im 1. Quartal- sondern auch mal eben 800.000 € Personalaufwendungen fälschlicherweise als nicht zahlungswirksam betrachtet hat, wieder planen? Hoffentlich nicht. Sie müssen jetzt ein Zeichen setzen Herr Bürgermeister, wenn sie Ihre Glaubwürdigkeit, oder das was davon übrig geblieben ist, nicht komplett aufs Spiel setzen wollen. Nutzen Sie diese Situation, um jetzt mit einer Neuorganisation dafür zu sorgen, dass so etwas wie 2014 und 2015 nicht noch einmal passiert und legen Sie die Planung der Stadtfinanzen in neue, unverbrauchte Hände. Ich erspare mir in diesem Zusammenhang den Vergleich mit der Privatwirtschaft und was mit dem Verantwortlichen einer solchen Fehlplanung passiert wäre. Oder übernehmen Sie selbst die Verantwortung für dieses Planungsdesaster? Sie haben den Bericht ja schließlich auch unterschrieben.

Meine Damen und Herren, was ich eben geschildert habe ist nicht schön, ich weiß. Aber leider ist das, wovon ich berichtet habe alles schwarz auf weiß in dem Ihnen vorliegenden Bericht zu finden. Ich habe nichts dramatisiert, sondern nur die Zahlen zitiert. Schlimm genug.

Herr Bürgermeister, haben Sie eigentlich geglaubt, dass uns das Desaster nicht auffällt?

Womit ich allerdings nicht gerechnet habe, ist Ihre Reaktion auf die Pressemitteilung des BWB. Konfrontiert mit unserer Kritik erklären Sie der HNA, dass ja alles nicht so schlimm sei, weil schließlich die Stadt ein Vermögen von 110 Millionen Euro und eine Eigenkapitalquote von knapp über 50 % habe.

Aha.

Was bitteschön, haben die EK-Quote und das Vermögen mit der Liquidität zu tun? Fragen Sie mal einen Kaufmannslehrling im 2. Lehrjahr der wird es Ihnen sagen: Nichts! Die EK-Quote sagt aus, dass Ihr Vermögen von 110 Mio. € zur Hälfte Ihnen, also der Stadt und zur anderen Hälfte den Kreditgebern gehört. – Hoppla. Dann haben wir ja 55 Millionen Euro Schulden und nicht nur 25, wie im Haushaltsplan zu lesen. Das klären wir das nächste Mal. Bereiten Sie sich schon einmal vor. Ihr Vermögen setzt sich überwiegend aus Gebäuden, Kanälen, Grundstücken, wie dem Hessenkrug in Viesebeck, Straßen und Bürgersteigen zusammen. Wo ist da der Bezug zur Liquidität? Wollen sie 2 km Bürgersteig verkaufen? Wie gut Sie im Gebäude- und Grundstückeverkaufen sind, zeigen Sie ja bei Gewerbegebieten, dem Hessenkrug und in Ippinghausen, wo Sie Baugrundstücke ohne Genehmigung des RP verkaufen wollten. Das nur am Rande. Haben Sie schon einmal davon gehört, dass Menschen mit 2 Porsches in der Garage einer 2 Millionen Villa zwangsgeräumt werden, weil sie kein Geld auf ihrem Konto haben, bzw. ihren Dispokredit überzogen haben? In einer vergleichbaren Situation befinden Sie sich, Herr Bürgermeister. Hohes, wahrscheinlich überbewertetes und zu großen Teilen nicht liquidierbares Vermögen, den Kassenkreditrahmen bis zum Anschlag ausgenutzt bzw. sogar kurzfristig überzogen und nicht in der Lage zu sagen, über wieviel freie Liquidität Sie noch verfügen. Im Juli und Dezember kann es „ziemlich eng“ werden steht im Quartalsbericht. Ein Unternehmen in vergleichbarer Situation wäre gemäß Insolvenzordnung verpflichtet, Insolvenz anzumelden, wenn es absehen kann, dass es demnächst „ziemlich eng“ wird. Lesen Sie nach. Das ist nicht unseriös, sondern Tatsache. Herr Walther und Sie konnten mir in der HAFIA-Sitzung auch auf Nachfrage nicht sagen, wie „eng“ es im Juli wird. Unglaublich.

Noch einmal zu Ihren Äußerungen in der Presse: Mit Ihren Äußerungen haben Sie nur das unterstrichen, was ich heute nicht zum ersten Mal vorwerfe: Es fehlt Ihnen an entsprechender kaufmännischer Kompetenz, auch nach fast 15 Jahren Amtszeit. Mit diesen Äußerungen haben sie das nun auch noch öffentlich unter Beweis gestellt. Wenn Sie Ihre Reputation selbst beschädigen wollen, kann und werde ich Sie nicht davon abhalten, das ist Ihre Sache. Wenn solche fachlichen Ergüsse jedoch in unserer Lokalpresse zu lesen sind, schädigen Sie damit nicht nur Ihr Ansehen, sondern auch das des Bürgermeisteramtes. Deshalb bitte ich Sie, letztlich auch um Ihrer selbst Willen, aber in erster Linie wegen des Ansehens der Stadt Wolfhagen, künftig besser aufzupassen, was sie da von sich geben, der Schuss kann, wie kürzlich geschehen, nach hinten losgehen.

Zuletzt nun zu Ihnen werte Stadtverordnete, insbesondere von CDU und SPD. Wir vom BWB, insbesondere ich, haben oft Prügel dafür bezogen, wenn wir Missstände, insbesondere wenn es dabei um Finanzen ging, angekreidet haben. Nicht dass ich mich beschwere, wer austeilt muss auch einstecken können. Glauben Sie mir, wir fühlen uns auch nicht gut dabei, wenn wir nun feststellen müssen, dass das, wovor wir immer gewarnt haben nun auch noch viel stärker eingetreten ist, als wir selbst befürchtet haben. Bitte glauben sie mir auch, dass es uns nicht darum geht, alles schlecht zu reden. Wir nehmen aber nach wie vor kein Blatt vor dem Mund, wenn wir glauben, dass die Entwicklung in die falsche Richtung geht.

Lassen sie uns einen Neuanfang machen. Nehmen sie zur Kenntnis, dass es uns, wie Ihnen sicher auch, nur um eines geht, nämlich um Wolfhagen. Ich habe mich hier und heute sehr detailliert mit den Stadtfinanzen auseinandergesetzt. Sie können jetzt nicht mehr sagen, Sie hätten es nicht gewusst. Ich habe nichts dramatisiert, alle von mir genannten Zahlen, finden Sie, leider sehr verschachtelt, in dem Bericht.

Die Situation ist wie sie ist, wir können sie leider nicht mehr ändern. Wir müssen uns darauf beschränken, den Schaden zu minimieren.

Der Schlüssel zum Ausweg aus der Krise hält der Bürgermeister in der Hand. Notwendig ist jetzt eine Analyse der Ursachen für das Finanzdesaster und die Erarbeitung eines Konzepts zur Überwindung der Krise. Dazu bedarf es keines Auftrages vom Parlament, so etwas muss man von einem Verwaltungschef erwarten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, wir haben Verständnis dafür, dass Sie sich „Ihrem“ Bürgermeister verbunden und vielleicht auch verpflichtet fühlen. Aber darum darf es jetzt nicht mehr gehen. Deshalb appelliere ich an Sie: Überdenken Sie Ihre Nibelungentreue zum Bürgermeister! Der heute diskutierte Quartalsbericht zeigt, dass die Verwaltung und damit verbunden deren Chef eine starke, eine stärkere parlamentarische Kontrolle benötigt als bisher, um noch Schlimmeres zu verhindern. Nehmen auch Sie diese Kontrollpflicht, die Ihnen von Ihren Wählern übertragen wurde bitte stärker war.

Denn es geht hier nicht um den Bürgermeister, es geht nicht um CDU, SPD, Grüne und BWB.

Es geht um Wolfhagen. Um mehr nicht.

Aber auch nicht um weniger.