Stavo August 2019: Rede Jens Kühle zum Haushalt 2019

Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren,

eins vorweg: Die folgenden Ausführungen haben überwiegend  den Stand von gestern Abend, es kann also sein, dass einige Dinge nicht mehr aktuell sind, weil die Verwaltung zu diesem nicht ganz unwichtigen Thema heute noch einmal nachgeliefert hat. Je nachdem wie gut und vor allem wann Sie sich auf diesen Tagesordnungspunkt vorbereitet haben: Es hat sich noch einmal etwas geändert in den Unterlagen. Ob und inwieweit das mit meinem Telefonaten mit dem Haupt- und Finanzausschussvorsitzenden gestern Abend und heute Morgen zu tun hat, überlasse ich Ihrer persönlichen Einschätzung.

Zum Thema: Das hat es noch nicht gegeben, zumindest nicht so lange, wie die BWB-Fraktion diesem Parlament angehört: Am 29. August 2019, knapp 4 Monate vor Jahresende sollen wir den Haushalt 2019 beschließen, obwohl er schon am 21.03.2019 von uns beschlossen wurde. Warum das? Die Antwort auf diese Frage ist ebenso einfach wie erschreckend: Dilettantismus im Rathaus! Nicht mehr und leider auch nicht weniger. Was ist passiert?

Die Stadt Wolfhagen reicht einen Haushalt bei der Kommunalaufsicht ein, der nicht genehmigungsfähig ist. Warum? Die Antwort befindet sich in Form eines blauen Briefes, so haben wir damals in der Schule gesagt, den der Landrat an den Bürgermeister geschickt hat in den Unterlagen.

Erstens, so der Landrat, wird für die Jahre 2020-2022 ein negatives Ergebnis im Ergebnishaushalt ausgewiesen und zweitens weist auch die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2020-2022 ein defizitäres Finanzergebnis aus. Zu Deutsch: Es wird mehr ausgegeben als Geld da ist. Kommt Ihnen das bekannt vor, Herr Bürgermeister? Das sage ich Ihnen seit Jahren. Leider nicht nur das.

Ich frage mich bei solchen eklatanten und peinlichen Vorfällen immer wieder: „Wie konnte so etwas passieren?“ Wir haben im Rahmen der Hessenkasse lang und breit darüber diskutiert, welche Konsequenzen es hat, wenn das Land Hessen uns die Hälfte unserer kurzfristigen Schulden – es waren ca. 4 Millionen Euro-, die aus der ständigen Überziehung des Kontos resultierten, freundlicherweise abnimmt: Nämlich die Vorlage  eines im Plan und Ist ausgeglichenen Haushalts, der zudem einen Liquiditätspuffer ausweist. Nun, es kann immer wieder zu Situationen kommen, die im Ist eine Abweichung vom Plan verursachen, z. B. eine Weltwirtschaftskrise. Das kann passieren und ein Plan ist immer noch ein Plan. Abweichungen sind da ein Stück weit normal, insbesondere wenn sie sich im Rahmen halten.  Aber das Sie das Kunststück fertiggebracht haben, bereits ein negatives Ergebnis zu planen, damit gegen laufende Vorschriften zu verstoßen, und das dann nach Kassel zu schicken ist schon sensationell und toppt nahezu alles, was wir bisher an Peinlichkeiten aus dem Rathaus erleben durften. 4- Augen-Prinzip? Nein! Wofür wurde die Finanzabteilung personell aufgestockt, wenn jetzt gefühlt mehr Fehler passieren als zu Zeiten, in denen die halbe Personalstärke vorhanden war? Ist doch komisch: Wir kennen bis heute nicht die Zahlen von 2018, seit August liegt uns erst der Quartalsbericht für das erste Quartal vor und wir werden frühestens im September, wenn nicht erst im Oktober einen genehmigten Haushalt haben. Wundern Sie sich nicht, das alles schlechter wird trotz personeller Aufstockung der zuständigen Abteilung? Haben Sie sich den Haushalt eigentlich vor dem Versand nach Kassel noch einmal angesehen? Falls nein: Schlimm genug. Falls ja: Noch schlimmer, denn dann wären Ihnen diese eminent wichtigen Kennzahlen, die so entscheidend für die Liquidität der Stadt sind doch auffallen müssen.

In diesem Zusammenhang müssen wir Stadtverordnete uns natürlich auch fragen, ob wir das nicht hätten bemerken können: Die Antwort auf diese Frage ist ein eindeutiges Jein. Denn: Der uns im März vorgelegte Haushaltsentwurf wies im Ergebnishaushalt bis 2022 jeweils ein positives Ergebnis auf. Das wäre uns auch sicher sofort aufgefallen. Etwas anders jedoch sieht es beim Finanzhaushalt aus, hier findet sich, ich glaube es war auf der Seite 316 von 324 im Entwurf aufs dem März unter der Position „Geplante Veränderung des Bestandes an Zahlungsmitteln“ für 2020-2022 jeweils ein Defizit. Ist wohl niemanden von uns so aufgefallen, weil wir uns wohl alle auf den Ergebnishaushalt konzentriert haben. Hätten wir aber verhindern können. Denn wir waren ja vorgewarnt. Denken Sie nur an die Posse mit der falschen Gebührenkalkulation durch die Kämmerei im Rahmen der Haushaltsberatungen, die die Verabschiedung noch einmal um einige Wochen verzögert hat. Wir hätten ahnen können, dass da noch mehr Fehler im Haushaltsentwurf drin stecken. Aber- ist es unsere Aufgabe, immer wieder die Vorlagen, die uns zur Beschlussfassung vorgelegt werden, auf inhaltliche Richtigkeit zu prüfen? Die Antwort- und ich gehe davon aus, dass das alle Stadtverordneten das so sehen- kann doch nur lauten: Nein! Es ist unter anderem unsere Aufgabe, die Tätigkeit des Bürgermeisters zu kontrollieren. Die Kontrolle der Mitarbeiter, die für die immer mal wieder peinlichen Vorgänge verantwortlich sind, ist Ihre Aufgabe, Herr Bürgermeister, nicht unsere. Und es ist- und auch da gehe ich davon aus, dass das alle so sehen- unser Anspruch, korrekte und inhaltlich richtige Vorlagen zu erhalten, die eine Beschlussfassung auch für Nicht-Verwaltungsexperten möglich machen. Und genau das erhalten wir immer wieder NICHT von Ihnen, deshalb zum xten Mal: Machen Sie bitte endlich Ihren Job, Herr Bürgermeister!

Leider ist das immer noch nicht alles: Denn als wäre so ein Brandbrief noch nicht schlimm genug, kommt nun der 2. Akt aus dem ganzen Dilemma:

Der Landrat schreibt, dass er den Haushalt nicht genehmigen kann, weil er formale Mängel hinsichtlich des Ergebnisses aufweist. Und wie geht die Verwaltung damit um?  Sie nimmt den einfachsten Weg und sagt uns: „Das Geld, das in unserer Planung ab 2020 gefehlt hat, fällt vom Himmel. Wir nehmen zukünftig einfach mehr Steuern ein, nämlich.

300.000 Euro in 2020

500.000 Euro in 2021 und

700.000 Euro in 2022.

In 2022 nehmen wir insgesamt 15,2 Mio Euro Steuergelder ein: Zum Vergleich: Für 2018 wurden 13,2 Mio Euro prognostiziert. Das ist ein Wachstum von gut 15 %. Respekt! Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, in meiner morgendlichen Zeitungslektüre nehme ich immer wieder auf, dass der Konjunkturmotor stockt und die Aussichten schlechter werden. In Wolfhagen wohl nicht. 15 %. Wow! Das heißt aber im Umkehrschluss auch: Wenn Ihre utopischen Annahmen nicht zutreffen… Wie wollen Sie den dann den neuen Feuerwehrstützpunkt finanzieren. Der letzte mir bekannte Stand lag bei ca. 10 Millionen Euro. Ich tippe, es werden mindestens 12. Ursprünglich waren einmal 5 Mio geplant. Wir werden sehen.

Unabhängig davon, dass diese Wachstumsprognose sehr gewagt ist, würde mich einmal interessieren, wie es die Kollegen der anderen Fraktionen sehen: Wie kommen Sie sich vor, wenn Ihnen nach 5 Monaten gesagt wird: Im März haben wir zu pessimistisch geplant, wir rechnen jetzt einfach mal mit deutlich mehr Steuereinnahmen. Wie unseriös ist das denn? Ist es zu viel verlangt, für das wichtigste, was dieses Gremium zu entscheiden hat, nämlich den Haushalt, der die Weichen für die Zukunftsentwicklung stellt, ein in sich schlüssiges und seriös aufgestelltes Zahlenwerk zu erhalten?   Was bitteschön kann man Ihnen denn noch glauben, Herr Bürgermeister? Müssen wir jetzt jedes Mal fragen, wie ernst Ihre Planungen gemeint sind oder ob Sie sich etwas Luft lassen wollen? Also die BWB-Fraktion kommt sich in diesem Zusammenhang an der Nase herumgeführt vor, denn mit seriöser Planung hat das alles nichts mehr zu tun.

Noch 2 Dinge:

Interessant ist, dass der Steuersegen gemäß der Tabelle in der Vorlage überwiegend aus Steuerarten kommt, die die Stadt nicht oder kaum beeinflussen kann. Die Gewerbesteuer, die man durch eine kluge Standortpolitik zu einem viel größeren Anteil beeinflussen kann als z. B. die Einkommenssteuer, steigt so gut wie gar nicht. Schon wieder ein Armutszeugnis…Aber auch das hören Sie nicht zum ersten Mal.

Aber jetzt kommt es ganz dicke: Wahrscheinlich haben Sie es aber auch gemerkt: Wir sollen einen Haushalt beschließen, der – bis gestern- wieder sowohl im Finanz- als auch im Ergebnishaushalt ab 2020 Defizite ausweist. Ab den Seiten 300+ finden Sie die Zahlen in der Vorlage. Dem Parlament wird wieder ein inhaltlich nicht korrekter Entwurf vorgestellt, der die gleichen Fehler aufweist, wie der, der Ihnen schon einmal um die Ohren geflogen ist. Wie gesagt, bis gestern. Heute wurde der überarbeitete Tabellenteil mit Datum von gestern eingestellt. Die Geschichte kennen Sie.  Merken Sie denn noch irgendetwas? Warum sind die aktuellen erst heute eingearbeitet worden? Ist das jetzt wieder nur Dilettantismus oder eine grobe Missachtung des Parlaments nach dem Motto: Die merken schon nichts? Wahrscheinlich beides, was es nicht besser, sondern nur noch schlimmer macht.

Reicht nicht die eine Ohrfeige der Kommunalaufsicht? Muss es noch eine zweite sein? Das Schlimme daran ist ja auch, dass diese ganze Geschichte nicht nur für Sie peinlich ist, sondern für die ganze Stadt Wolfhagen. Und bevor Sie wieder behaupten, ich bzw. das BWB würde Wolfhagen schlecht reden: Wir beschreiben und kritisieren nur die Zustände, für die Sie, Herr Bürgermeister die Verantwortung tragen. Machen Sie einfach endlich einen guten Job, dann gibt es auch nichts zu kritisieren. Verschweigen werden wir auch in Zukunft solche Eskapaden nicht, die Öffentlichkeit hat ein Recht auf die Wahrheit und auf Transparenz. Und diese Posse war auch leider kein Einzelfall. Das wissen alle hier und sprechen darüber auch hinter vorgehaltener Hand. Wir tun es öffentlich mit offenem Visier.

 

Fazit:

Durch die Abgabe eines nicht genehmigungsfähigen Haushalts wird Wolfhagen in diesem Jahr wohl bis Oktober unter vorläufiger Haushaltsführung bleiben. Das spart sicher erst einmal Geld, weil nur Auszahlungen erlaubt sind, die absolut notwendig sind, mittel- und langfristig wird es aber teuer, weil wichtige Investitionen nicht durchgeführt werden können. Das schadet dem Standort Wolfhagen, der durch diesen formalen Fehler nun auch noch einer Blamage Preis gegeben wurde.

Die „Reparatur“ des Formfehlers durch die Verwaltung in Form von geänderten Annahmen, was die Steuereinnahmen betrifft, ist unglaubwürdig. Schließlich wurde dem Parlament erneut ein Entwurf mit den gleichen Fehlern, die vom Landrat kritisiert wurden, vorgelegt. Demnach wäre der Haushalt wieder nicht genehmigungsfähig gewesen. Wie gesagt, das wurde heute geändert!

Die BWB-Fraktion kann deshalb dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen, da er zum einen erneut formale Fehler aufwies- das hat sich wohl nun erledigt-  und zudem unrealistische Annahmen der mittelfristigen Finanzplanung zugrunde liegen.