Stavo, 27.06.2013: Jens Kühle-Aufwandsentschädigungen

Meine Damen und Herren,

mit dem heutigen Tage könnte die Wolfhager Stadtverordnetenversammlung Geschichte schreiben. Nicht etwa, weil wir ein neues Gewerbegebiet ausschreiben, welches mit Zuschüssen von Bund Land und EU finanziert wird, so dass der Eigenanteil der Stadt nur bei einem läppischen Millionenbeitrag verbleibt. Auch kaufen wir anderen Gebietskörperschaften keine Immobilie zu erhöhten Preisen ab. Nein, es ist alles viel, viel profaner. Mit ein wenig Übung in Verzicht, können wir ein historisches Signal setzen: Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung verzichten auf ihre Aufwandsentschädigungen, ersparen dem Steuerzahler einen hohen 5 oder sechsstelligen Eurobetrag. Das allein ist schon eine Schlagzeile, vielleicht sogar über das Erscheinungsgebiet unserer geschätzten Lokalpresse hinaus, wert. Aber nicht nur das: Viel historischer und wichtiger wäre das Zeichen, was wir mit einem solchen Beschluss der Bevölkerung geben würden: Die Wolfhager Kommunalpolitiker muten ihren Bürgern nicht nur Mehrausgaben wie die Erhöhung der Grundsteuer zu, sie drohen nicht mit der Schließung von kürzlich sanierten Freibädern. Nein, die Wolfhager Stadtverordneten stellen sich auf eine Stufe mit den vielen anderen ehrenamtlich Tätigen in Ihrer Gemeinde und verzichten ein Jahr lang auf sämtliche Aufwandsentschädigungen. Sie erledigen ihr ehrenamtliches Engagement genauso wie der Übungsleiter eines Sportvereins, der mit seinen ihm anvertrauten Jugendlichen 2x pro Woche trainiert, an jedem Wochenende quer durch Nordhessen zu Wettkämpfen fährt, UNENTGELTLICH!!!

Meine Damen und Herren, von CDU und SPD, sie können wieder ganz ruhig durchatmen, wir wissen, dass ein Antrag in dieser Form, der den Verzicht auf die Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder beinhalten würde, nicht mehrheitsfähig wäre. Wir haben ja in unserer jungen parlamentarischen Historie gelernt und wissen, was für Sie wichtig ist…

Wir stellen deshalb NICHT den Antrag auf die Abschaffung von Sitzungsgeld und Aufwandsentschädigungen. Wohl aber beantragen wir eine moderate Senkung dieser Posten um ca. 20 %. Wir würden nämlich so, unabhängig vom Einsparvolumen von ca. 8.000 Euro pro Jahr, knapp 40.000 Euro je Legislaturperiode ein Signal an unsere Bevölkerung geben: Wir muten Euch, der Bevölkerung nicht nur Mehrbelastungen zu, nein, wir fangen bei uns selbst an zu sparen.

Beispiele:

Ein Fraktionsvorsitzender, dessen Aufwand ich mit dem eines Vereinsvorsitzenden vergleichen möchte, erhält dann nicht mehr 155 Euro, sondern nur noch 130 Euro pro Monat (!), also 25 Euro weniger. Der Vereinsvorsitzende bekommt in der Regel nichts. Auf keinem Fall jedoch vom Steuerzahler. Ist das gerecht? Ist die Arbeit eines Fraktionsvorsitzenden so viel mehr wert als die des Vereinsvorsitzenden? Die Antwort lautet NEIN! Wie wollen wir es vor der Bevölkerung rechtfertigen, dass ein stv. Stavo-Vorsitzender, der gefühlt 2 x im Jahr, wenn überhaupt eine Sitzung leiten muß, 25 Euro monatlich bekommt? Mit welcher Begründung verdoppelt sich das Sitzungsgeld für eine Stavo- oder Fraktionssitzung, wenn die Sitzung mehr als 2,5 Stunden dauert? Das Sitzungsgeld halbiert sich ja auch nicht, wenn die Tagung nach einer guten halben Stunde, wie auch schon vorgekommen, zu Ende ist. Geben wir nicht so eine Vorlage für den Missbrauch der sowieso schon viel zu großzügigen Regelung? Selbst die HNA schrieb am 15. August 2011, also vor knapp 2 Jahren: „…Demnach liegt Wolfhagen mit seinen Sitzungsgeldern vorn“. Mit welcher Berechtigung liegt Wolfhagen vorn? Haben wir einen ausgeglichenen Haushalt wie z. B. Breuna, der uns finanziell in die Lage versetzen würde, die Mandatsträger so fürstlich zu entlohnen? Nein, meine Damen und Herren, zur Erinnerung: Unser geplantes Defizit liegt bei ca. 400.000 Euro. Aber selbst bei einem Überschuss sähen wir vom BWB keine Veranlassung dafür, so üppig zu entlohnen. Die Magistratsmitglieder tagen jede Woche Montag, schätzungsweise 40-45 x im Jahr, Herr Förste muss den Bürgermeister vertreten-wahrlich keine leichte Aufgabe. Hinzu kommen noch diverse OB- und ca. 12 Stavo-Sitzungen. Sie, liebe Magistratsmitglieder haben sicher den höchsten zeitlichen Aufwand neben den Ortsvorstehern. Dennoch, auch Sie können den Aufwand verringern: Unseres Erachtens muss der Magistrat nicht jede Woche tagen, Sie brauchen nicht, entschuldigen Sie bitte meine Übertreibung, über jede 2,50 Euro in Ihrem Gremium abzustimmen, sie können auch Verantwortung an den Bürgermeister delegieren, wenn Sie ihm denn vertrauen.

Meine Damen und Herren, einige von Ihnen mögen sich noch erinnern: Ein fast identischer Antrag des BWB lag diesem Hause schon vor 2 Jahren vor. Er wurde mit den Stimmen der CDU und SPD abgelehnt. Demokratie habe ihren Preis, so wurde Herr Flörke von der Presse zitiert. In Wolfhagen ist der Preis offenbar höher als in unseren Nachbargemeinden. Der Grund dafür ist für uns nicht ersichtlich. Die Entschädigungssatzung, so lautete der Auftrag des Parlaments seinerzeit, sollte dennoch von der Verwaltung überarbeitet werden. Heute, nach fast 2 Jahren legen Sie Herr Bürgermeister den Parlamentariern eine mehr oder weniger identische Satzung vor, jedenfalls was die Vergütung betrifft. 2 Jahre haben Sie an diesem beachtlichen Werk gearbeitet und unter dem Strich hat sich nichts geändert. Herr Bürgermeister, jeder Abteilungsleiter in einem mittelständischen Betrieb wäre für eine solche Arbeitsleistung abgemahnt worden. Es ist schlicht und ergreifend beschämend, was Sie uns hier vorlegen.

Meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die eben schon angesprochenen fast 8.000 Euro Sparpotenzial jährlich, es geht um noch viel mehr: Es geht um ein Zeichen an die Bevölkerung, dass wir es mit unserem Ehrenamt ernst meinen und die Kluft zwischen Parlamentariern und „normalen“ ehrenamtlich Tätigen ein wenig kleiner machen. Wir können nicht vom Normalbürger verlangen, dass er sich in seiner Freizeit für sein Schwimmbad unentgeltlich einsetzt, und oben drauf noch mit seinem Steuergeld dazu beiträgt, dass wir für unsere ehrenamtliche Arbeit Geld bekommen. Das geht nicht! Das ist ungerecht!

Meine Damen und Herren, es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit, deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

Leider wurde der Antrag (wie eigentlich zu erwarten war) mit der Stimmenmehrheit von CDU und SPD abgelehnt.